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Ein himmelblauer Trabant…

Ein paar Schlager…:-)

Umfrage 3

  • Können Sie sich kurz vorstellen?

Beruf: Sozialpädagogin

Alter: 45 Jahre

  • Kennen Sie „Lesen zwischen den Zeilen“? Was fällt Ihnen dazu ein?

Dass etwas umschrieben oder angedeutet wird, Misstände in der DDR oder auch im politischen System so „verpackt“ werden, dass ein doppelter Sinn entsteht.

  • Wie haben Sie damals über kritische Schriftsteller gedacht?

Diese Bücher waren meist verboten oder wurden nur heimlich innerhalb der Freundeskreise verborgt. Sie stellten die Situation realistisch dar und man erkannte sich und den Alltag in der DDR wieder. Die kritische Literatur hatte „Ventilfunktion“ – man tauschte sich im Freundeskreis dazu aus. Bücher waren Lebensbegleiter und aktuelles wurde z.B. in historischen Sagen oder Zusammenhängen dargestellt (griechische Sage „Kassandra“ Christa Wolf).

  • Würden Sie sagen, dass die Literatur für die Menschen in der DDR wichtig war, vielleicht eine Flucht aus dem Alltag geboten hat?

Literatur war sehr wichtig, interessante Bücher waren Mangelware und man hat sich darüber unterhalten und „Leseabende“ mit Freunden darüber gestaltet“.

  • Inwiefern sollte die Literatur die Menschen beeinflussen und wie weit hat sie das getan?

Sie diente „der allseitigen Bildung einer sozialistischen Persönlichkeit“ (so eine Parole der DDR) und zeige ein einseitiges und verklärtes Idealbild des Lebens, wie die Partei es gerne gesehen hätte. Das entsprach aber nicht der Wirklichkeit, die man alltäglich erlebte.

  • Wie würden Sie Unterschiede zwischen der damaligen Literatur im Westen und der im Osten beschreiben?

DDR: Viele Bücher waren verboten oder/und wurden nicht verlegt, weil Urheberrechte in DM (Devisen) bezahlt werden sollten (z.B. Erich Kästner, Karl May). Die Literatur (auch Fachliteratur!) orientierte sich an der SU, auch bei wissenschaftlichen Entdeckungen. Das hatte zum Teil fatale Folgen, da die Ideologie/Wille der Partei mehr zählte als der Sachverstand.

Bücher waren in schlechter Qualität gedruckt, und die Seite vergilbten schneller, Bildbände waren selten. Mein Vater hatte 2 TB-Reihen fest abonniert beim Buchhändler, um ab und zu auch schöne und begehrte Kinderücher/Sachbücher zu bekommen, die es nie frei zu kaufen gab, weil in zu geringer Stückzahl aufgelegt und gedruckt wurde. Es wurden auch Bücher für den Westen gedruckt, die aber nur für den Export waren und bei uns nicht gekauft werden konnten. Die Buchhandlungen waren übervoll mit Bücher und Gesamtausgaben aller Werke von Karl Marx, Friedrich Engels, Lenin, etc..

Ein Witz dazu: Man soll im Buchladen nicht nach speziellen Autoren und Büchern fragen, ob sie die haben, sondern welche Bücher denn „weg müssten“, weil sie schon zu lange im Regal stehen? (politische Werke/Ideologie ders Sozialismus)

Mangelware-Bücher, interessante und kritische Bücher wurden dann im Freundeskreis verborgt. Die Partei/Stasi zensierte alle Bücher. Deshalb wurde gerne „zwischen den Zeilen“ geschrieben, damit die Bücher durch die Zensur kamen. Verbotene Literatur hieß „Schund- und Schmutzliteratur“ aus dem Westen und wenn man sie mit in die Schule nahm und erwischt wurde, war das ein Grund vom Gymnasium oder Studium exi zu werden.

Westliteratur erschien wie das literarische Schlaraffenland: man kann alle Genre kaufen, egal welche politische Richtung und neueste Fachliteratur. Es gibt keine Zensur und selbst kritische ostdeutsche Schriftsteller konnten ihre Bücher dann im Westen verlegen lassen. Und diese Bücher konnte man sich dann heimlich von Westverwandten wünschen und schenken lassen.

Sandmann, lieber Sandmann…

Bis 1990 gab es zwei verschiedene Sandmännchen in Ost-und West.  Ab 1991 wurde nur noch die ostdeutsche Version fortgesetzt.

Thomas Brussig, „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“

In seinem Roman „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ schreibt Thomas Brussig über das Leben der Menschen in der Sonnenalle und zwar dem kürzeren Ende, dem in Ostberlin. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Micha Kuppisch, ein Jugendlicher, der ab liebsten mit seinen Freunden verbotene Musik hört und anderen Unsinn macht. Außerdem sind sie alle in Miriam verliebt, die unnahbare Schöne an der Schule. Micha himmelt sie jedoch am meisten an, und die Liebesgeschichte der beiden baut die Spannung auf.

Der Roman beschäftigt sich auf witzige Art und Weise mit der Problematik des Ost-West-Konflikts. Thomas Brussig gibt dem Leser einen Einblick in das Leben und Denken der Menschen in der ehemaligen DDR, allerdings ist die Handlung teilweise nicht sehr realistisch. Das ist auf der einen Seite  unterhaltsam, weil er so den Leser in eine komische Welt entführt, in der alles möglich ist. Allerdings ist es wie gesagt nicht besonders realistisch und das kann einen falschen Eindruck über die DDR vermitteln, in der schließlich nicht nur humorvolle Menschen lebten, die schon irgendwie damit klar kamen in ein Gefängnis gesperrt zu sein und die in brenzligen Situationen von einem Wunderrussen gerettet wurden.

Trotzdem ist das Buch auf jeden Fall lesenswert, die Ironie und Komik des Erzählers sind sehr witzig und können den Leser des öfteren zum Lachen bringen. 🙂

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Der Film „Sonnenallee“ bei Amazon


Barbara Bollwahn, Der Klassenfeind + ich

Ramona erzählt in ihrem Tagebuch über ihr ganz normales Leben. Über ihre ersten Freunde, Stress mit ihren Eltern und ihre erste Liebe. Sie verliebt sich im Urlaub in Ungarn in Jürgen, „den Klassenfeind aus dem Westen“, wegen dem doch der antifaschistische Schutzwall gebaut worden ist. Wird ihre Liebe trotz der unüberwindbaren Mauer halten?

Barbara Bollwahn schreibt in einem lockeren, lustigen Stil über das alltägliche Leben einer Jugendlichen, später einer jungen Frau in der DDR, die sich nicht so einfach unterkriegen lässt und keine Angst davor hat, das sozialistische System in Frage zu stellen. Sie scheut sich nicht zu sagen was sie denkt.

Barbarah Bollwahn studierte Spanisch und Englisch in Leipzig und arbeitete bis 1990 freiberuflich als Dolmetscherin. Nach der Wende begann sie, als Journalistin zu arbeiten. Von ihr sind außerdem noch die Jugendbücher „Mond über Berlin“, „Wohin dein Herz dich schlägt“ und „Glücksmuscheln“ erschienen. In „Der Klassenfeind + Ich“ verarbeitet sie ihre eigenen Erlebnisse als DDR-Bürgerin.

http://barbarinella.jimdo.com/

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Klaus Kordon, Auf der Sonnenseite

Wie ist es, von einem deutschen Staat in den anderen zu kommen? Nachdem Hannah und Manfred Lenz von der BRD freigekauft werden, haben sie erst einmal Probleme, sich in dem so anderen Deutschland zurechtzufinden. Das unterschiedliche Leben, Denken und Fühlen, die andere Mentalität ist nicht so einfach zu überwinden. Und sind sie wirklich auf der “Sonnenseite” gelandet? Oder geht es im Westen nur ums Geld?
In der Fortsetzung von Klaus Kordons autobiografischen Roman “Krokodil im Nacken” erzählt er aus seiner Anfangszeit in Westdeutschland.
Das Buch ist eine sehr realistische Darstellung der Unterschiede und Probleme zwischen Ost und West und ist genauso wie “Krokodil im Nacken” sehr empfehlenswert.

http://www.amazon.de/Auf-Sonnenseite-Klaus-Kordon/dp/3407810598

Christa Wolf

Christa Wolf wurde 1929 in Landsberg (heute Polen) geboren. 1949 machte sie ihr Abitur und begann Germanistik zu studieren. Im selben Jahr trat sie in die SED ein, 1951 heiratete sie den Schriftsteller Gerhard Wolf.

Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Schrifstellerverband, in dem sie (jetzt Schrifstellerverband der DDR) von 1955 bis 1977 im Vorstand war. Außerdem arbeitete sie als Lektorin und Redakteurin, seit 1962 ist sie freie Schrifstellerin.

1962 wurde sie aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, weil sie den Brief gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns mit unterschrieb, seit 1965 wurde sie von der Stasi überwacht. Allerdings hatte auch sie von 1959-62 als Inoffizielle Mitarbeiterin bei der Stasi gearbeitet. Eine Tatsache, die zusammen mit ihrer Erzählung „Was bleibt“ nach der Wende den Literaturstreit auslöste.

Bertolt Brecht

Bertolt Brecht ist ein bedeutender deutscher Dramatiker, war ein überzeugter Kommunist und ist bekannt für seine zahlreichen Frauengeschichten. Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg als Sohn eines Fabrikdirektors geboren. Er studierte Naturwissenschaft und Medizin, lieber jedoch beschäftigte er sich mit dem Schreiben. Im 1. Weltkrieg arbeitete er als Sanitätssoldat, eine Erfahrung, die ihn zu einem erbitterten Kriegsgegner machte.

1922 gelang ihm mit seinem ersten Drama „Baal“ der Durchbruch am Theater.

Brecht stand schon vor Hitlers Machtergreifung auf der Schwarzen Liste der Nationalsozialisten, später verboten sie seine Stücke und entzogen ihm die Staatsbürgerschaft, er musste im Februar

1933 fliehen.

Als er 1948 nach Deutschland zurückkehrte, entschied er sich für die DDR, weil für ihn nur ein sozialistisches Deutschland Zukunft haben konnte. Er gründete ein eigenes Theater, das Berliner Ensemble. Brecht begründete die Idee des epischen Theaters.

Das Thema seiner Stücke war meistens Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft, er wollte das bürgerliche Theater revolutionieren.

Seine politische Haltung zu den DDR-Machthabern ist umstritten, er trat nie in die Partei ein, er lies sich die Eingrenzungen seiner künstlerischen Freiheit durch die SED nicht gefallen, er wehrte sich, auch, da er einigen Schutz durch seinen Ruhm genoss.

Brecht hatte fünf Kinder aus Beziehungen. Am 14. August 1956 starb er an einem Herzinfarkt.

Heute ist er, obwohl er Kommunist war, aktuell und gefragt,jedoch erst seit der Annäherung von Ost und West, davor wollte niemand in der BRD etwas mit ihm zu tun haben. Es gibt jedoch auch viele kritische Stimmen, die ihm ein wirklichkeitsfremdes, die Welt stark vereinfachendes Denken und eine zu rationale Haltung vorwerfen.

Thomas Brussig

Thomas Brussig wurde 1964 in Berlin geboren, machte eine Ausbildung als Baufacharbeiter und Abitur.  Er betätigte sich vom Tellerwächer bis zum Fremdenführer in einigen Berufen, bis er 1995 nach einem abgebrochenen Soziologiestudium freiberuflicher Schriftsteller wurde. 2000 machte er an einer Hochschule für Film und Fernsehen seinen Abschluss.

In seinen Romanen verarbeitet er  das Geschehen in der damaligen DDR. Das Manuskript seines ersten Romans „Wasserfarben“ brachte er kurz vor dem Mauerfall zum Aufbau-Verlag, der das Buch 1991 veröffentlichte. Außerdem veröffentlichte er „Helden wie wir“, „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ (Erzählung nach dem Drehbuch von „Sonnenallee“), „Leben bis Männer“ und „Wie es leuchtet“.

http://www.thomasbrussig.de/

Umfrage 1

  • Können Sie sich kurz vorstellen?

Alter: 50

Beruf: Ingenieur

Ich habe genau 30 Jahre in der DDR gelebt, in dieser Zeit habe ich mich in der Kirche engagiert, durch dieses Umfeld sowie auch Elternhaus, habe ich kritische DDR-Literatur kennen gelernt.

  • Haben Sie damals viel gelesen und was?

Ja, besonders während meiner 18 monatigen Armeezeit, aber auch sonst.

Besonders interessiert hat mich kritische Gegenwartsliteratur, die sich mit Problemen in der DDR bzw. den Ostblock-Staaten beschäftigte.

  • Kennen Sie „Lesen zwischen den Zeilen“? Was fällt Ihnen dazu ein?

Aber natürlich. Die kritischen DDR-Schriftsteller (bei Staatsführung, Partei usw. nicht sehr beliebt und meist unter starker Beobachtung, z.B. Stasi) konnten nicht offen Kritik an den damaligen Verhältnissen äußern.
Sie mussten die Kritik und ihre Vorstellungen von einer besseren Welt umschreiben, Andeutungen machen (wo die meisten Leser aber dann gleich wussten was gemeint war) und manchmal auch Vergleiche (z.B. zu Fabeln) nehmen, um überhaupt als Schriftsteller überleben zu können.

  • Wie haben Sie damals über kritische Schriftsteller gedacht?

Ich habe sie bewundert, da zu diesem Vorgehen (s.oben) Mut gehörte. Gleichzeitig war es die einzige Möglichkeit für uns, auch mal von der offiziellen Meinung abweichendes zu hören bzw. zu lesen. (besonders im Raum Dresden, wo es kein Westfernsehen gab)

Also, es war ein Stück Hoffnung, das es doch noch möglich ist, seine ehrlich Meinung zu äußern.

  • Würden Sie sagen, dass die Literatur für die Menschen in der DDR wichtig war, vielleicht eine Flucht aus dem Alltag geboten hat?

Wichtig war die Literatur für die Menschen auf jeden Fall (s. oben) aber keine Flucht, eher eine Bereicherung, eine Erweiterung des Horizonts.

  • Inwiefern sollte die Literatur die Menschen beeinflussen und wie weit hat sie das getan?

Das kann ich nicht so genau sagen. Da müsste man Statistiken anschauen, die es wahrscheinlich nicht gibt.

In der Schule wird sie auf jeden Fall einen Teil dazu beigetragen haben, Kindern und Jugendlichen die Ideale nahe zubringen. Später, haben die Leute das gelesen, was ihnen gefallen hat, wie das in der alten Bundesrepublik und überall auch so ist. Wer Krimis mag, wird sich Bücher aus diesem Genre holen, wer Liebesromane liest, sucht dort und wen kritische Gegenwartsliteratur interessiert, wird sich dort Bücher besorgen.

Man sollte die Zahl der Menschen, die sich für letzteres interessiert haben, nicht all zu sehr überschätzen.

  • Wie würden Sie Unterschiede zwischen der damaligen Literatur im Westen und der im Osten beschreiben?

Die damalige Literatur im Westen kenne ich nicht.

Im Osten gab es mehr und weniger kritische Schriftsteller, bestimmt auch ganz linientreue (da fällt mir aber gerade niemand ein) Viele DDR-Bücher wurden auch im Westen verlegt (teilweise unter anderem Titel)

Eine große Rolle spielte noch die sowjetische Literatur, in welcher auch viele menschliche und gesellschaftskritischen Themen zu finden waren (z.B. Aitmatov „Djamila“, Rasputins „Abschied von Matjora“ oder Bulgakovs „Meister und Margarita“. ) Diese Autoren lehnen sich an die großen russischen Schriftsteller an und beziehen sich doch auf die Gegenwart und die Probleme der Menschen in den sozialistischen Ländern.